Pater Josef Gottar

von Hermann Krämer

Ich habe in meinem Leben mit dem Tourette-Syndrom gute und schlechte Zeiten erlebt. Die schlechten Perioden
habe ich geistig und seelisch nur deswegen unbeschadet überstanden, weil außergewöhnliche Menschen meinen
Lebensweg gekreuzt haben und bereit waren, mir zuzuhören, meine Sorgen und Ängste teilten und somit ein Stück
meines Lebensweges mit mir gegangen sind. Einer dieser Menschen war der Elsässer Josef Gottar, ein Pater des
Ordens der Spiritaner. Ich möchte nachfolgend zunächst etwas über seinen Werdegang berichten.

Josef Gottar wurde am 6. März 1914 in Überach im Elsass geboren. Er hatte noch sieben weitere Brüder und
Schwestern. Sein Vater fiel im Russlandkrieg im Jahre 1915. Josef hatte ihn nie kennengelernt, was er immer
wieder sehr bedauerte. Schon sehr früh in seinem Leben hatte Josef ein klares Ziel vor Augen, er wollte nach Afrika,
um helfend tätig zu sein. In Neuscheuern und später in Zabern bereitete er sich vor für den Eintritt in den weltweit
tätigen Orden der Spiritianer (Missionsgesellschaft vom Heiligen Geist), am 8. September 1934 legte er in Neuscheuern
seine Gelübde ab. Die Weihe zum Priester erfolgte am 5. Juli 1942 in Blotzheim. Da wegen des Krieges die Ausreise
nach Afrika nicht möglich war, wurde er in Lothringen in der Seelsorge eingesetzt.

1945 erfüllte sich dann sein Wunsch, in Afrika zu helfen und zu arbeiten. Bis zum Jahre 1958 war er Lehrer in den
Seminarien in Mayumba (Gabun) und in Mbamou (Kongo), dann Pfarrer in Mouyondsi bis 1965, anschließend
Verantwortlicher der Mission von Loango und ab 1974 Pfarrer an St. Christopherus in der Hafenstadt Pointe Noire.
1983 musste er aus gesundheitlichen Gründen nach Europa zurückkehren.

Im Jahr 1986 lernte ich Pater Josef Gottar kennen. Damals befand ich mich wegen der verschiedenen Symptome
meiner Tourette-Erkrankung in einer schweren Lebenskrise und hatte keinen Lebensmut mehr. Auf der Suche
nach Hilfe fragte ich unter anderem im Vincentiuskrankenhaus in Speyer, ob es in ihrer Einrichtung einen Sozialarbeiter
oder einen in der Seelsorge tätigen Geistlichen gäbe und wenn ja, ob es möglich wäre, ein Gespräch mit der jeweiligen
Person zu führen. Sogleich und ohne zu zögern nannten sie mir Pater Josef Gottar. Zwei Tage später traf ich erstmals
mit ihm zusammen. Das Tourette-Syndrom war ihm bis dahin nicht bekannt, aber er interessierte sich sehr dafür
und wir trafen uns im Anschluss an das erste Gespräch ungefähr einmal wöchentlich, um über meine Probleme
zu sprechen. Josef war in der Patientenseelsorge des Vincentiuskrankenhauses tätig und betreute darüber hinaus
noch die kranken und pensionierten Niederbronner Schwestern, die sich in ihrer aktiven Zeit im gleichen Krankenhaus
der Pflege der Patienten angenommen hatten.

Zu unseren Gesprächen trafen wir uns zunächst im Vincentiuskrankenhaus, kurze Zeit später dann im Ordenshaus
der Spiritaner in Speyer in der St. Guidostraße. Dieses Haus beherbergte mehrere Spiritaner, die nach jahrzehntelanger
Mission in verschiedenen Teilen der Welt in ihre Heimat zurückgekehrt waren. Es gab dort aber auch Ordensleute,
die in Deutschland geblieben waren und unter anderem in der Verwaltung des Hauses, in der Seelsorge oder als
Religionslehrer gearbeitet hatten oder auch Gottesdienste hielten in der dem Ordenshaus angegeliederten Kirche St. Guido.

1987 hatte Josef Probleme mit dem Herzen und bekam einen Herzschrittmacher eingesetzt. Drei Jahre später musste er
auf ärztlichen Rat die Seelsorge aufgeben und kehrte zum großen Bedauern vieler Speyerer ins Elsass zurück. Dort lebte
er fortan in der Spiritanerkommunität Wolxheim und widmete sich bis zu seinem Tode zahlreichen Diensten in den
umliegenden Pfarreien. Pater Josef Gottar starb am 10. August 1997.

Ich bin dankbar, diesen wunderbaren Menschen kennengelernt zu haben. Josef war immer bereit mich anzuhören,
tröstete mich und machte mir Mut, in dem er kleine Fortschritte bemerkte und hervorhob. Außerdem hatte er Humor
und wir lachten viel zusammen. Unvergesslich bleiben für mich unsere Gespräche im Garten des Speyerer Ordenshauses
der Spiritaner. Oft erzählte er von seiner Tätigkeit in Afrika und zeigte mir Fotos von seinen verschiedenen Arbeitsstellen.
Josef Gottar liebte Afrika und hatte seine Arbeit dort sehr schweren Herzens aufgegeben. Von der Liebenswürdigkeit,
mit der er mir und den Menschen in Speyer begegnete, waren viele beeindruckt und suchten seine Nähe. Ich war sehr
traurig, als er Speyer 1990 verließ, um in seine elsässische Heimat zurückzukehren. Doch unsere gemeinsame Zeit
ist ein Teil von mir und lebt in mir weiter. Danke, lieber Josef Gottar!

 

Speyer, im Juli 2006  

 

 

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