Georges Gilles de la Tourette
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Leben und Werk
Georges Albert Edouard Brutus
Gilles de la Tourette wurde am 30. Oktober 1857 in
Saint-Gervais-les-Trois-Clochers im Departement Vienne geboren. In diesem
kleinen Dorf, unweit von Loudun gelegen, beginnt das Leben dieses
außergewöhnlichen Menschen und späteren Neurologen, der durch das nach
ihm benannte Tourette-Syndrom in der ganzen Welt bekannt werden sollte ...
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Für die Erstellung der Biographie des Georges Gilles de la Tourette
recherchierte ich vier Jahre. Sehr glücklich bin ich darüber, dass ich in
dieser Zeit brieflichen und telefonischen Kontakt hatte zu Prof. Dr.
Christian Müller, einem ehemaligen Direktor der Klinik Cery bei Lausanne
(1967-1987), in der GG de la Tourette bis zu seinem Tode stationär behandelt
wurde. Prof. Müller hatte persönlich Einsicht in die Krankenakte von GGdlT
und verfügte somit über eine genaue Kenntnis seiner letzten Jahre. Auf meine
Frage, ob beispielsweise das Zimmer bekannt und zu besichtigen sei, in dem
er versorgt wurde, sagte er: "Im Altbau der Klinik Cery war im ersten Stock
ein kurzer Gang mit ein paar Zimmern für Privatpatienten und hier - so wird
vermutet - wurde Georges Gilles de la
Tourette betreut. Der Altbau ist allerdings mittlerweile komplett umgebaut
und umgestaltet, so dass diese Räumlichkeiten von damals nicht mehr
existieren".
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Altbau und Hauptgebäude des Hôpital de Cery (1873)
Zwangsinternierung von Georges Gilles de la Tourette in der Klinik Cery
bei Lausanne 1901
Georges Gilles de la Tourette,
französischer Neurologe (1857-1904) in unserer Zeit bekannt, weil nach ihm
das Tourette-Syndrom benannt wurde und weil er als Erster eine Studie über
Tic-Erkrankungen (1885) veröffentlichte, hatte in den letzten Jahren
seines Lebens mit erheblichen neuropsychiatrischen Störungen zu kämpfen.
Aufgrund einer Syphiliserkrankung - der Erreger war im Jahr 1904 weder
identifiziert, noch war eine Behandlung möglich - musste er alle schlimmen
Stadien der Syphilis durchleben.
Georges Gilles de la Tourette war
im Jahr 1901 psychisch auffällig in Erscheinung getreten. Für eine
Aufnahme im Krankenhaus "Hôpital de Cery", einem psychiatrischen
Krankenhaus in der Nähe von Lausanne in der Schweiz, lag ein
Einweisungszeugnis des Arztes Jean Baptiste Charcot (1867-1936) vor. Darin
wird dargelegt, dass GGdl Tourette
seit zwei Jahren an melancholischen Anfällen leide und dass er sich
suizidieren wollte, dass er in einen Zustand von manischer Expansivität
mit Größenideen geraten sei. Die neurologischen Untersuchungen führen zur
Diagnose "progressive Paralyse", einer neurosyphilitischen Erkrankung.
Dieser Arzt spiegelte GG de la Tourette vor, ein berühmter Patient
würde in Cery auf ihn warten und er möge sich dorthin begeben, um ihn
untersuchen.
Am 28. Mai 1901 traf GG de la Tourette in Cery ein,
aber dort wartete kein "berühmter Patient" auf ihn, es war der Beginn
seiner Zwangsinternierung und er wurde mit Gewalt zurückgehalten, die
Klinik wieder zu verlassen. GGdlT war verzweifelt und niedergeschlagen
und wehrte sich massiv dagegen, in dem er immer wieder empörte Briefe z.B.
an die Sanitätsbehörden und den Direktor der Klinik richtete und seine
sofortige Entlassung verlangte.
Gegen Ende der dreijährigen
Unterbringung im Psychiatrischen Krankenhaus Cery wird er immer
psychotischer, seine Rede ist inkohärent und er hat häufige Konvulsionen
(konvulsiv: von Krämpfen geschüttelt, krampfhaft zuckend). Georges Gilles
de la Tourette stirbt am 22. Mai 1904 in der Klinik Cery in Anwesenheit
seiner Familie, die während der gesamten Zeit seiner Erkrankung in der
Schweiz geblieben war. Nach seinem Tode wird Georges Gilles de la Tourette nach
Frankreich überführt und in Loudun im Familiengrab beigesetzt (Information
Friedhofsverwaltung Loudun).
Der frühe Tod von Georges Gilles de la
Tourette löst unterschiedliche Reaktionen aus. Die allzu große Hingabe an
Charcot wurde kritisiert und sein Vermächtnis an die Klinische Neurologie
auf die Zusammenfassung und Darstellung der Endphase von Charcot’s Arbeit
reduziert. In einer Sitzung des Aufsichtsrats der Staatlichen Fürsorge am
2. Juni 1904 wird der Verlust des gerade mal 46-jährigen Georges Gilles de la
Tourette beklagt. Der Präsident erinnert in seiner Rede, dass sie durch
seinen frühen Tod einen der besten Mitarbeiter verloren haben. "Er
hinterlässt an seinen Wirkungsstätten die Erinnerung an einen äußerst
fleißigen und gewissenhaften Arzt" (einmütige Beifalls- und
Zustimmungsbekundungen).
Im Jahr 2000 war ich in Kontakt gekommen mit Jean-Jacques Eggler
vom Stadtarchiv Lausanne (les Archives de la Ville de Lausanne). Durch
seine detaillierten Kenntnisse der Geschichte von Lausanne wusste er von
der stationären Behandlung des französischen Neurologen Georges Gilles de
la Tourette in Cery. Darüber hinaus berichtete er mir, dass Marie de la
Tourette, die Ehefrau von Gilles de la Tourette, vom 4. November 1901 bis
zum 15. August 1904 in Lausanne wohnte: Zunächst in der Pension von Madame
de Bournissien, zur Zeit von Gilles de la Tourette -> Rue Beau-Séjour 1
[1906 hieß diese Pension "Regina Bristol"], in der heutigen Zeit ist es
die Adresse "Rue Beau-Séjour 24", danach kurzer Aufenthalt in St.
Gingolph, dann wieder Lausanne in der Pension von Madame Mercanton, "Gai
Coetau", Avenue des Alpes 30-32.
Am 30. August 2014 habe ich mich
mit Jean-Jacques Eggler und Herrn Follonier vom Hôpital de Cery
verabredet, gemeinsam besichtigten wir neue und alte Gebäude des
psychiatrischen Krankenhauses Cery, das 1873 erbaut worden war.
Die
Besichtigung führte zunächst in einen Teil des neuen Hauptgebäudes, das
nach Auskunft von Herrn Follonier im Jahr 1960 erbaut wurde. Georges
Gilles de la Tourette war im alten Teil der Klinik mit der Bezeichnung
„Les Cedres“ versorgt worden und zwar im Westflügel, in einem der links
vom Haupteingang liegenden Gebäude, welches allerdings schon vor längerer
Zeit abgerissen wurde. Im Hauptgebäude des alten Klinikteils sind im
linken und rechten Anbau Büroräume eingerichtet worden (Administration der
Klinik), einige weitere Anbauten bzw. Gebäude der alten Krankenhausanlage
wurden ebenfalls abgerissen. In den alten, noch bestehenden Gebäudeteilen,
sind unter anderem technische Einrichtungen untergebracht.

Hôpital de Cery, erbaut im Jahre 1960
Das Hôpital de Cery in unserer Zeit ist ein modernes Krankenhaus,
behandelt werden beispielsweise Borderline-Erkrankungen, Bipolare
Störungen, Psychosen, Suchterkrankungen.
Ich empfinde großes
Interesse für das Leben von Georges Gilles de la Tourette und bin sehr
dankbar dafür, dass die Besichtigung des „Hôpital de Cery“ ermöglicht
wurde, meinen Dank auch an Jean-Jacques Eggler vom Stadtarchiv Lausanne
und Herrn Follonier von der Klinik Cery, die mich bei dem Rundgang
begleiteten.
Fotos: Hermann Krämer, 67346 Speyer am Rhein ++ Veröffentlichung mit Zustimmung
Adminstration Hôpital de Cery, Schweiz ++
Q u e l l e n :
H. Krämer, "Georges Gilles de la
Tourette", Herausgeber TGD e.V., Göttingen 2003
Dr. A. J. Lees,
"Georges Gilles de la Tourette – The Man and his Times", Rev. Neurol.
Paris 1986
C. Müller "Wer hat die Geisteskranken von den Ketten
befreit", Psychiatrieverlag Bonn 1998.
C. Müller, "Rapports entre
la psychiatrie suisse et la psychiatrie francaise" aus "Annales de
Thérapeutique Psychiatrique" No. 4, 1969
Zwangsinternierung von Georges Gilles de la Tourette (pdf)
Originalstudie
von Dr. Tourette aus dem Jahre 1885
V
o r w o r t
Es ist den sensiblen und differenzierten Beobachtungen
des französischen Neurologen Dr. Gilles de la Tourette zu verdanken und
seinem besonderen Interesse für Menschen mit Tic-Erkrankungen, dass im
Januar 1885 diese Studie über 9 Fälle (Observations I – IX) zusammen mit
einer Reihe von anderen neurologischen Themen verschiedener Autoren im
9. Band der "Revue des maladies nerveuses et mentales" im
"Archives de Neurologie" publiziert werden konnte.
Die
Übersetzung der 9 Fallbeschreibungen (Seiten 24-42 und 158-161), die
Anmerkungen von Dr. Tourette in der Einleitung und in den Nachbetrachtungen
machen deutlich, dass es in jener Zeit erhebliche Schwierigkeiten bei der
exakten diagnostischen Zuordnung von neurologischen Erkrankungen gab, deren
Hauptsymptomatik motorische Koordinationsstörungen waren. Vielfach bestand
die Tendenz, den größeren Teil der Störungen dieser Art unter dem
Sammelbegriff "Chorea" (gr. choreia: Reigen, Tanz)
zusammenzufassen, auch wenn sie nur mit einigen Symptomen Parallelen zur
Chorea aufzeigten.
Die Übersetzung der Originalstudie von Georges Gilles de la Tourette über Tic-Erkrankungen aus dem Jahre 1885 war ein
Gemeinschaftsprojekt, dessen Realisierung durch die Mitarbeit von
Betroffenen, Angehörigen und Unterstützern der Tourette-Szene möglich wurde. Ich bedanke mich ganz
herzlich bei Ute Boldt, Sarah Schimanski, Steffi Binder, Marie-Anne Thivolle
(Frankreich), Armin Stang, Beate Michaelis, Marie-Ange Desor (Französin,
lebt in Deutschland) und Susanne Ohler. Meinen Dank möchte ich ebenfalls
noch aussprechen an Prof. Dr. Kirsten Müller-Vahl (MH Hannover) und Prof. Dr.
Aribert Rothenberger (Universität Göttingen) für ihre Bereitschaft, uns
mit ihrem neurologischen Fachwissen bei der Übersetzung komplizierter
Textpassagen zu unterstützen.
Durch
die an der Übersetzung beteiligten Personen hatte sich ein detailliertes Wissen
über die französische Sprache zusammengefunden, trotzdem
bedeutete es einen großen Aufwand, die historischen Texte und die darin
enthaltenen komplexen Beschreibungen der neurologischen Symptome in
verständliches und gut lesbares Deutsch zu übertragen und dabei den
Originaltext nicht zu verfremden. Wir haben uns bemüht, diesem Vorsatz
gerecht zu werden.
Hermann
Krämer.

Broschüre
Georges Gilles de la Tourette
Inhalt: Biografie des Georges
Gilles de la Tourette und Übersetzung seiner Studie über Tic-Erkrankungen
aus dem Jahre 1885 von der französischen in die deutsche Sprache: "Ein
Nervenleiden, das gekennzeichnet ist durch motorische Inkoordination in
Begleitung von Echolalie und Koprolalie." (Originaltitel der Studie in
französischer Sprache: Étude sur une affection nerveuse caracterisée par
l’incoordination motrice accompagnée d’écholalie et de coprolalie, Archive
de la Neurologie, [Paris] 9, 1885, 19-42 et 158-200) 51 Seiten ++
Printversion vergriffen, online
lesen:
Broschüre Georges Gilles de la Tourette
www.tourette-syndrom.de
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